Projekt D3:

Lebenslaufpolitik im Sozialstaat - Institutionen und Reformen (Sozialhilfekarrieren V)

Team: Prof. Dr. Stephan Leibfried, Dipl.-Soz. Christine Hagen, Dipl.-Soz. Heike Niemann, Benjamin W. Veghte, Ph.D., Dipl.-Soz.päd. Uwe Schwarze


Das Teilprojekt hat dazu beigetragen, einen neuen Zugang zur Erforschung von Armut in Deutschland einzuführen: die dynamische oder auch lebenslauftheoretische Armutsforschung. Die Ergebnisse zeichnen ein differenzierteres Armutsbild als herkömmliche Analysen und lassen sich nicht einfach in vorherrschende - rechte oder linke - Kategorienschemata einordnen. Alles in allem gibt es Anhaltspunkte für das, was Beck "Individualisierung sozialer Ungleichheit" nennt: Armut ist verzeitlicht, biographisiert und in hohem Maße sozial entgrenzt, d.h. nicht auf traditionelle Randschichten beschränkt. Durch diese Befunde werden Vorstellungen festgefügter Spaltungslinien der Gesellschaft obsolet.
Mit der Bremer 10%-Längsschnitt-Stichprobe von Sozialhilfeakten kann das Projekt dabei auf eine bundesweit einmalige Datenbasis zurückgreifen. Die Ergebnisse zur Dauer des Sozialhilfebezugs, die sich zunächst auf die Neuantragsteller auf Hilfe zum Lebensunterhalt aus dem Jahre 1983 bezogen, konnten durch Analyse einer neueren Zugangskohorte (Antragsteller des Jahres 1989, beobachtet bis 1994) erhärtet werden. Sozialhilfebezug dauert Anfang der 90er Jahre nicht länger als Anfang der 80er Jahre. Auf der Grundlage von 90 narrativ-problemzentrierten Interviews mit Hilfeempfängern der Antragskohorten 1983 und 1984 wurden des Weiteren unterschiedliche Handlungsmuster im Umgang mit der Sozialhilfe gefunden. In Ergänzung dieser retrospektiven Interviews wurden 72 prozessbegleitende "Echtzeitinterviews" mit Neuantragstellern des Jahres 1995 durchgeführt. In der laufenden Phase konnte die zweite Welle dieses qualitativen Panels, d.h. 40 Zweitinterviews realisiert werden.
In der Abschlussphase (2000-2001) liegt der Fokus des Teilprojektes weniger als bislang auf den Sozialhilfebezie-henden selbst und stärker auf den Institutionen. In einem internationalen Vergleich (Deutschland, Schweden, USA) werden die lokale Sozialverwaltung und ihre lebenslaufbezogenen policies untersucht (die Experteninterviews in Deutschland und Schweden sowie vergleichende institutionentheoretische Analysen wurden weitgehend bereits gegen Ende der letzten Forschungsphase durchgeführt). Diese policies befinden sich im Wandel vor dem Hinter-grund eines international erkennbaren Umbaus des lokalen Sozialstaates. Die qualitativen Untersuchungen (qualitatives Panel) fokussieren stärker auf das Verhältnis der Sozialhilfebeziehenden zu den Institutionen des lokalen Sozialstaats und dessen (geschlechtsspezifischen) ‚Lebenslaufpolitiken' sowie auf die Lebenslagen und Handlungsorientierungen der Betroffenen nach dem Ausstieg aus der Sozialhilfe. Für 2001 ist ein Abschlussband mit den institutionenbezogenen Ergebnissen der Phasen IV und V vorgesehen ("The Activating Welfare State: New Strategies for Fighting Poverty in Europe and the United States").


Zurück Seitenanfang Weiter